Was bedeutet Agiles Arbeiten?
„Die größte Gefahr in turbulenten Zeiten liegt nicht in der Turbulenz, sondern darin, mit der Logik von gestern zu handeln.” Dieses Zitat von Peter Drucker, dem Begründer der modernen Managementtheorie, fasst zusammen, vor welchen Herausforderungen Unternehmen heutzutage stehen: Die Digitalisierung verändert Technologien, Arbeitsprozesse, Produkte sowie Kundenansprüche – und das rasend schnell. Was gestern galt, ist heute schon wieder obsolet.
Das Internet sorgt außerdem dafür, dass all das auf einer globalen Ebene abläuft. Für einen mittelständischen Betrieb in Deutschland bedeutet das: Die Konkurrenz sitzt nicht mehr nur in der gleichen Region, sondern auch in Shanghai, Kalifornien oder Tel Aviv. Wer als Unternehmen erfolgreich sein will, muss daher die Logik von gestern über Bord schmeißen und schnell auf diesen Wandel reagieren können.
Genau hier beginnt agiles Arbeiten. Agiles Arbeiten ist ein wichtiges Thema für MediaMarktSaturn. Wir haben daher geschaut, woher es kommt, wie man es umsetzt und welche Studien es dazu gibt.
Agiles Arbeiten: Flexibilität statt starre Regeln
Das Konzept geht auf das Jahr 2001 zurück. Hier traf sich eine Gruppe von Softwareentwickler, die „Agile Alliance“, um ein Grundsatzprogramm für Agilität zu schaffen. Darunter waren auch Vertreter von DSDM, SCRUM und Extreme Programming, die oftmals mit dem Konzept in Verbindung gebracht werden. Die Gruppe machte sich Gedanken über flexiblere Arbeitsmodelle und heraus kam das „Agile Manifest der Softwareentwicklung“.
Im Kern geht es dabei um eine Wende in Unternehmen: Weg von starren Hierarchien und Strukturen, hin zu dynamischen Prozessen. So definiert das Gabler Wirtschaftslexikon Agilität als „Gewandtheit, Wendigkeit oder Beweglichkeit von Organisationen und Personen, beziehungsweise in Strukturen und Prozessen”. Agiles Arbeiten bedeutet also flexibles, proaktives Handeln in Unternehmen, um notwendige Veränderungen einzuführen.
Im Gegensatz dazu arbeiten klassische, stabile Organisationen prozess- und projektorientiert. Sie halten sich oft sehr starr an bestehende Regeln und Hierarchien und können genau deshalb weder schnell noch flexibel auf eine neue Situation reagieren.
Der Begriff „agil“ steht somit für eine neue, mutige Denkweise in Unternehmen. Doch was bedeutet das genau?
Die sechs Säulen der Agilität
Agilität dreht sich um Dynamik, Flexibilität, Schnelligkeit, Austausch und Netzwerke. Es baut auf sechs Säulen auf: ein agiles Leitbild, Kundenorientierung, kurzfristige Ergebnisse, flache Hierarchien, dynamische Personalplanung und eine offene Unternehmenskultur.
Agiles Leitbild
Ein agiles Unternehmen mag bei der IT-Abteilung beginnen, darf dort aber nicht aufhören. Viele Betriebe machen genau diesen Fehler. Es reicht aber nicht aus, ein Team oder ein Projekt agil aufzustellen. Agilität muss Teil der Unternehmenskultur sein und sollte die ganze Organisation durchdringen.
Agiles Arbeiten kann nur dann funktionieren, wenn es im Leitbild, der Zielsetzung und der Mission des Unternehmens verankert ist.
Kundenorientierung
Beim agilen Arbeiten wenden Unternehmen den Blick von sich selbst auf den Kunden. Was will er und wie kann man den Kundennutzen maximieren? Stur Befehle auszuführen hilft dabei nicht. Stattdessen erfordert dies flache Hierarchien, Arbeiten in Netzwerken und einen schnellen Austausch von Wissen der Mitarbeiter untereinander.
Kurzfristige Ergebnisse
Gleichzeitig bedeutet das, dass Kunden ein Produkt in kleinen Teilen, dafür aber in schneller Abfolge bekommen. Das beschleunigt die Arbeit und erfordert weniger Zeitaufwand bei der Planung. Als Ergebnis halten Kunden schneller ein Produkt in der Hand.
Für Unternehmen hat das noch einen weiteren Vorteil: Sie bekommen schneller Feedback von den Kunden. Anstatt also viel Geld in die Perfektion eines Produktes zu investieren – das möglicherweise völlig an den Kundenbedürfnissen vorbeigeht – können sie so schrittweise das Produkt an die Kundenwünsche anpassen.
Flache Hierarchien
Dynamik, Austausch und Eigenverantwortung bilden die Grundlagen von agilem Arbeiten. All das kann aber nicht mit starren Hierarchien einhergehen. Die Zusammenarbeit erfolgt in agilen Unternehmen deshalb nicht mehr von oben herab, sondern in eigenverantwortlichen Teams. Mitarbeiter brauchen dafür den Spielraum und das Vertrauen der Führungskräfte, um eigene Entscheidungen treffen zu können.
Gleichzeitig verändert sich dadurch die Rolle der Führungskräfte. Sie erteilen nicht mehr lediglich Befehle und koppeln sich vom Team in einer Chefetage ab. Sie sind vielmehr wie ein Coach, der mittendrin ist und das Team antreibt und motiviert.
Dynamische Personalplanung
Dazu gehört auch, dass die einzelnen Mitarbeiter aktiv an ihrer eigenen Entwicklung im Unternehmen mitwirken. Anstatt also Vorgaben umzusetzen, die ihre eigenen Fähigkeiten und Talente möglicherweise gar nicht berücksichtigen, sind sie selbst an der persönlichen Zielsetzung beteiligt.
Sie werden Teil der Personalplanung. Das bedeutet ebenfalls, dass sich Mitarbeiter gegenseitig und regelmäßig Feedback geben sollten.
Offene Unternehmenskultur
In klassischen Unternehmen gibt es viele Regeln und wenig Austausch. Das Gegenteil ist in einem agilen Unternehmen der Fall. Dies bedeutet, dass agiles Arbeiten eine offene Unternehmenskultur mit Transparenz, Dialog, Vertrauen, Wissensaustausch und Feedback mit sich bringt.
Unternehmen müssen hierbei erkennen, dass es nicht darum geht, Fehler mit aller Macht vermeiden zu wollen. Wer kreativ ist und neues ausprobiert, wird zwangsläufig auch Fehler machen. Diese sollten offen und konstruktiv angesprochen und als Lernerfahrung gesehen werden.
Achtung! Agiler Wandel kann explosiv sein
All dies klingt theoretisch sehr gut, in der Praxis ist dies für Unternehmen aber nicht immer so einfach umzusetzen. Denn wer den Wandel zum agilen Unternehmen wagt, muss sich auch bewusst sein, dass diese Umstellung kraftvoll, emotionsgeladen, aktiv und explosiv sein kann.
Das ist manchmal nicht leicht abzufangen, weder vom Unternehmen noch von den einzelnen Mitarbeitern. Agiles Arbeiten entsteht deshalb nicht über Nacht.
Unternehmen müssen dafür die nötigen Räume schaffen, wie zum Beispiel Workshops oder Feedback-Formate, in denen sich das Team austauschen und den Wandel reflektieren sowie offen Kritik und Bedenken ansprechen kann. Studien zeigen, dass es oftmals genau daran hapert.
Dies gilt übrigens nicht nur für Mitarbeiter, sondern auch für Führungskräfte. Eine der größten Hürden zum agilen Arbeiten ist mangelnde Kommunikation der Führungskräfte und Angst vor dem Loslassen der Chefs. Diese müssen aber lernen, dem Team zu vertrauen.
Ein Vorgesetzter kann nicht einerseits sagen, dass Teams eigenständig arbeiten sollen, andererseits aber genaue Vorgaben zur Umsetzung machen und auch noch jeden Schritt auf dem Weg dahin kontrollieren. Manchmal hilft es daher, in das agile Arbeiten mit einem Pilotprojekt einzusteigen.
Das zeigt, dass agiles Arbeiten ein Prozess ist, manchmal auch ein mühsamer und schmerzhafter. Daher ist natürlich die Frage berechtigt, ob sich das alles überhaupt lohnt?
Agile Unternehmen sind erfolgreicher
Die kurze Antwort ist: Ja!
Tatsächlich sagten in einer Studie der Hochschule Koblenz mehr als 90 Prozent der Unternehmen aus über 30 Ländern, dass die Verbesserungen der agilen Arbeitsweise sehr viel höher sind als der benötigte Aufwand. Auch die Mitarbeiter bewerten die Methoden sehr viel positiver als traditionelle Unternehmensstrukturen.
Das spiegelt sich im Erfolg der Unternehmen wider. Eine Studie der Boston Consulting Group unter 1.100 Führungskräften und Mitarbeitern aus zehn verschiedenen Branchen und 40 Ländern hat zum Beispiel ermittelt, dass agile Unternehmen bis zu fünfmal häufiger überdurchschnittliche Margen erzielen. Darüber hinaus wachsen agile Unternehmen schneller als ihre Konkurrenten und können sich sogar langfristig Wettbewerbsvorteile sichern.
Umso erstaunlicher ist es, dass in Deutschland der Großteil der Unternehmen nicht agil arbeitet. Nach dem "Agilitätsbarometer 2017" der Haufe-Gruppe gaben 90 Prozent der Mitarbeiter und 70 Prozent der Führungskräfte in Deutschland an, nie agile Methoden zu nutzen. Wenn diese zum Einsatz kommen – meist in Form der SCRUM-Prinzipien – bewerten Mitarbeiter diese fast immer positiv. Dennoch dominieren in deutschen Betrieben immer noch die klassischen, hierarchischen Strukturen.
Natürlich ist agiles Arbeiten kein Allheilmittel und kann nicht für jeden Betrieb funktionieren. Doch wer als Unternehmen langfristig mit dem digitalen Wandel mithalten will, kann von der Methode durchaus profitieren.